Verhalten sich Menschen anders, wenn Sie beobachtet werden?

discovery Jun 07, 2021
 

Verhalten sich Menschen anders, wenn Sie beobachtet werden? Ja. Übrigens auch, wenn sie in einem Interview sind. Das sollte dich aber nicht davon abhalten, deine Anwender zu beobachten, um ihre Herausforderungen zu identifizieren. Warum – das erfährst du in diesem Video.


Transkript des Videos (automatisch erzeugt, bitte entschuldige mögliche Fehler)

Hallo! Es gibt da ein Wort, auf das ich zunehmend allergisch reagiere. Anforderung. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch. Warum reagiere ich auf das Wort Anforderungen so nervös oder zurückhaltend? In dem Wort Anforderung steckt halt Forderung. Ein An-Forderer kann Forderungen stellen, dass irgendetwas in Software umgesetzt wird. Und aus meiner Sicht ist das schlicht die falsche Denkweise. Nicht der Anforderer fordert eine Lösung, sondern gemeinsam schauen wir, welche Probleme es gibt und wie diese Probleme am besten gelöst werden können. Denn die große, ich sage jetzt mal, die große Herausforderung, die ich in dem Begriff Anforderung sehe, ist, dass entweder Probleme adressiert werden, die gar nicht so relevant sind, oder aber, dass Lösungen gefordert werden, die nicht wirklich die beste Lösung sind. Und zwar jetzt "beste Lösung" im Sinne von entweder schnell umzusetzen oder sie adressiert das Problem möglichst gut.

Insofern ist es mir immer wichtig, dass wir einen Schritt zurücktreten, von den Anforderungen weg, und mal hinterfragen: was ist eigentlich das Problem, was wir lösen wollen und hinterher dann: wie können wir es tatsächlich lösen? So eine Variante, wie man auf solche Probleme - nicht eine Variante, eine Methode, wie man solche Probleme identifizieren kann, ist das Beobachten der Anwender.
Wenn man eine Anwendung entwickelt, die intern im Unternehmen eingesetzt wird, ist das relativ leicht. Man setzt sich neben seine Kollegen. Aber auch wenn man eine B2C Anwendung entwickelt, kann man natürlich seine Kunden mal einladen - nicht alle, aber einige ausgewählte - und ihnen beim Anwenden der Anwendung zugucken. Sei es jetzt irgendwie eine Web Plattform oder eine Desktop Applikation oder eine Webanwendung... Was auch immer. So, insofern, wie gesagt, eine Methode ist: ich beobachte meine Anwender.

Und einer meiner Seminarteilnehmer stellte dann eine interessante Frage: Verhalten sich die Menschen eigentlich anders, wenn sie beobachtet werden? Die Antwort auf diese Frage ist relativ leicht. Ja. Ja, Menschen verhalten sich anders, wenn sie beobachtet werden. Das ist jetzt auch keine neue Erkenntnis. Ich glaube, das geht irgendwie bis in die 20er, 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Die sogenannten Hawthorne Experimente wurden damals durchgeführt und ja, man hat festgestellt: allein die Tatsache, dass Menschen beobachtet werden, führt zu einer Verhaltensänderung. Und so ein ähnliches Phänomen stellt man auch fest, wenn man Kundenbefragungen durchführt. In dem Moment, wo man tatsächlich physisch einer Person gegenübersteht und - ich sage mal - ein Interview führt, dann verhalten sich Menschen in der Regel netter, als sie es normalerweise tun würden, einfach weil sie dem Gegenüber in der Regel nicht wehtun wollen. Also insofern auch da: Menschen verhalten sich in so einer Interviewsituation anders als im echten Leben.

Ist das jetzt schlimm? Naja, kommt drauf an, was man erreichen will. In unserem Fall geht es ja darum, dass wir Probleme finden wollen. Und in dem Moment, wo ich jetzt meine Kollegen beobachte und feststelle, dass sie in einem Prozess besonders viele manuelle Schritte durchführen, dann ist das ein - glaube ich - valides Ergebnis und völlig unabhängig davon, ob die Person beobachtet wird, sich beobachtet fühlt oder nicht. Die manuellen Schritte, die durchgeführt werden müssen, die sind da und die kann man beobachten. Etwas anderes ist natürlich, wenn ich in der gleichen Situation meinen Kollegen frage: "Ist das jetzt eigentlich schlimm, dass du so viele manuelle Schritte durchführen willst?" Und an der Stelle ist die Aussage halt wirklich mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Egal ob er jetzt sagt "Ja, das ist total schlimm" oder ob er sagt "Ach komm, das ist doch ein Klacks." An der Stelle hat man sofort die subjektive Meinung des Einzelnen und nicht mehr das Beobachtbare.

Mein Fazit an dieser Stelle: Ja, Menschen verhalten sich anders, wenn sie beobachtet werden. Und ja, das musst du bei den Ergebnissen dieser Beobachtungen auch berücksichtigen. Und nein, es ist kein Grund, diese Methode des Beobachtens nicht anzuwenden. Denn mit dem Beobachten kommst du sehr häufig tatsächlich auf neue Probleme, die gelöst werden müssen. Oder du findest so ein bisschen den eigentlichen Grund, warum eine Anforderung gestellt wird.

Ja, wie siehst du das eigentlich? Beobachtest du deine Kollegen? Also ich meine natürlich nicht irgendwie hier beim Mittagessen, sondern führst du systematisch Beobachtungen durch, um Probleme zu finden? Und wenn ja, welche Erfahrungen hast du mit dieser Methode gemacht? Teil das doch gerne mal, denn wir können alle voneinander lernen.

In jedem Fall denk bitte immer daran: Das Leben ist zu kurz, um in beschissenen Projekten zu arbeiten. Bis bald.

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