Wie bringst du Struktur ins Chaos?

delivery leadership Dec 27, 2021
 

Ich habe mich in letzter Zeit immer wieder mit der Frage beschäftigt, wie man Themen strukturieren kann. Das war zum einen die persönliche Notwendigkeit – ich habe neue Themen auf den Tisch bekommen, bei denen ich mich orientieren musste. Zum anderen waren es Fragen oder Probleme, die mir Teilnehmer in meinem Coaching Programm schilderten. Beides hat dazu geführt, dass ich einen Workshop veranstaltet habe. Wir können alle voneinander lernen und ich war neugierig, welche Probleme und Lösungen wir gemeinsame erarbeiten konnten. In diesem Beitrag möchte ich die Essenz des Workshops mit dir teilen.

Die allgemeine Fragestellung ist also „Wie strukturiere ich (große) Themen“. Lass uns zunächst einen Blick auf die Probleme werfen, die wir bei der Strukturierung identifiziert haben. Wie heißt es so schön: Wenn du das Problem nicht verstanden hast, wird auch deine Lösung nicht passen.

In einer idealen Welt kennst du für ein Thema sowohl das „Big Picture“ als auch die Details und weißt, wie alles zusammenhängt. Du hast also in etwas so ein Bild auf Papier oder zumindest vor Augen:

Interessanterweise kann der Startpunkt der Strukturierung völlig unterschiedliche sein. Wir haben insgesamt 4 Varianten beschrieben:

  1. Du kennst das Big Picture und möchtest es runterbrechen
  2. Du kennst ganz viele Details und möchtest sie zu einem Big Picture zusammenfügen
  3. Du kennst von einigen Themenbereichen das Big Picture, von anderen die Details
  4. Du startest mit einem leeren Blatt, z.B. weil du neu im Thema oder Unternehmen bist

Jetzt könnte man meinen, „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“. Weit gefehlt. Auch bei der eigentlichen Strukturierung sind wir über zahlreiche Probleme gestolpert. Ich teile sie an dieser Stelle mit dir, vielleicht erkennst du das eine oder andere wieder.

Wir haben bislang über die Probleme bei der Strukturierung von Themen gesprochen, aber... ist das eigentlich schlimm? Nicht jedes erkannte Problem ist tatsächlich so relevant, dass man sich um eine Lösung bemühen müsste. In diesem Fall habe ich eine klare Sichtweise: Ja, die beschriebenen Probleme sind schlimm. Oder anders formuliert: Eine (bessere) Strukturierung komplexer Themen führt zu

  • besseren Lösungen,
  • einer effizienteren Umsetzung und
  • zufriedeneren Mitarbeitern.

Lass uns noch mal einen etwas detaillierteren Blick auf die Konsequenzen einer schlechten oder unvollständigen Strukturierung werfen.

Zwischenfazit: Mit Hilfe der Strukturierung wollen wir ein Thema vollständig und richtig erfassen. Dabei haben wir 4 Kernprobleme:

  1. Unterschiedliche Detaillierungsebenen
  2. Unterschiedliche Dimensionen
  3. Unvollständige und/oder falsche Struktur
  4. Verknüpfung von „Struktur“ und „Organisation der Umsetzung“

Die Lösung dieser Probleme ist empfehlenswert, damit wir

  • bessere Lösungen finden,
  • diese Lösungen mit zufriedenen Mitarbeitern
  • effizienter umsetzen.

Wie können wir das erste Kernproblem lösen, die unterschiedlichen Detaillierungsebenen? Die Antwort ist fast schon trivial: mit Hierarchien. Du erinnerst dich an unser erstes Bild? Genau so etwas meine ich. Das Schöne an Hierarchien ist, dass du sie für beliebige Größen nutzen kannst. Es ist völlig egal, ob du zwei oder 20 Hierarchieebenen hast, das Prinzip ist immer das Gleiche. Eine Sache solltest du dabei im Hinterkopf haben: wenn du ca. 5 Punkte auf der gleichen Stufe hast, würde ich Überlegungen starten, wie du diese sinnvoll gruppieren kannst. Bei 10 Punkten würde ich es dringend empfehlen – das Bild wird ansonsten zu unübersichtlich, die Struktur arbeitet nicht mehr in deinem Sinne.

Das nächste Kernproblem ist die Frage, in welchen Dimensionen du strukturieren solltest. Diese Dimensionen könnten z.B. Unternehmensprozesse sein oder Komponenten oder die Navigation aus Sicht des Anwenders oder der Umsetzungshorizont oder oder oder. Meistens gibt es auch mehrere Dimensionen, die du unter einen Hut bringen möchtest. Was also tun? Ehrlich gesagt habe ich hier noch nicht die perfekte Lösung gefunden. Die pragmatische Empfehlung ist: Fang mit der Strukturierungsart an, die passend zur vorherrschenden Dimension ist. Wenn du überwiegend in Prozessen denkst, erstelle ein Prozessbild. Wenn du überwiegend in Hardware- und/oder Softwarekomponenten denkst, erstelle ein Komponentenbild. Wenn du überwiegend in Benutzerschritten denkst, erstelle eine User Story Map. An der Stelle ist meine dringende Empfehlung: Denk nicht zu viel drüber nach. Egal wie du dich entscheidest, du wirst irgendwann an den Punkt kommen, dass du dir wünschst, eine andere Strukturierungsart genommen zu haben. Das ist normal.

Nun kannst du mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Du füllst deine Struktur mit Leben. Hier gibt es keine Zauberformel, nur viel Arbeit. Typischerweise gehst du in drei Schritten vor:

  1. Du startest mit der Struktur
  2. Du erweiterst sie
  3. Du überprüfst das Ergebnis

Klingt fast schon trivial, oder? Lass mich dir noch ein paar Gedanken auf den Weg geben. Idealerweise startest du mit einer Struktur, die es bereits im Unternehmen gibt. Wenn du ein Prozessbild findest – nutze es. Wenn du eine technische Architektur mit Komponenten findest – nutze sie. Zum einen ist ein Teil deiner Struktur bereits gefüllt, zum anderen erhöht es voraussichtlich die Akzeptanz im Unternehmen, wenn du an Bekanntes anknüpfen kannst. Wenn du tatsächlich nichts Geeignetes findest, dann starte irgendwo in deiner Struktur. Auch hier: Denk nicht zu lange nach, mach einfach.

Wenn du deine Struktur erweiterst, geht es im Wesentlichen um das Gruppieren und Verfeinern von Elementen. Drei Vorgehensweisen empfinde ich als hilfreich. Gespräche und Interviews mit Stakeholdern und Experten im Unternehmen führen in der Regel dazu, dass ich weitere Puzzleteile identifiziere und sich gewisse Abhängigkeiten herauskristallisieren. Wenn keine geeigneten Gesprächspartner verfügbar sind, können Kreativitätstechniken wie z.B. Brainstorming zum gleichen Ergebnis führen. Wenn nur genügend schlaue Leute in einem Raum sind, kommt meistens etwas Gutes dabei raus. Und schließlich mein Favorit: Logik. Kann ich aus einem vorhandenen Element auf fehlende Elemente schließen, z.B. „wenn ich eine Zahlung empfangen kann, muss ich auch eine Erstattung ermöglichen können“. Oder: „wenn ich eine Rechnung verbuchen kann, muss ich diese vorher empfangen“.

Parallel zur Erweiterung der Struktur, aber spätestens zum Schluss, solltest du deine Struktur noch einmal überprüfen. Drei Prüfpunkte möchte ich dir an die Hand geben:

  • Ist die Struktur richtig oder zumindest plausibel?
  • Ist die Struktur vollständig?
  • Hast du auf einer Hierarchiestufe ungefähr die gleiche Granularität?

Mit diesem Vorgehen solltest du in der Lage sein, jedes beliebige Thema zu strukturieren.

Ich ahne schon, welche Frage dir gerade im Kopf herumschwirrt: Wie soll ich so eine Struktur, so ein Bild dokumentieren? Hier gibt es aus meiner Sicht nicht das perfekte Tool, das in allen Lebenslagen passt. Bei der Auswahl möchte ich dir nur zwei Gedanken mit auf den Weg geben:

  • Die Struktur ist ein Arbeitsmittel. Du kannst sie nur sinnvoll nutzen, wenn alle Projektmitglieder und idealerweise auch alle Stakeholder auf die Struktur zugreifen können. Es ist daher unheimlich hilfreich, ein Tool zu nutzen, welches im Unternehmen bekannt und allgemein verfügbar ist.
  • Die potenziellen Tools lassen sich grob auf einer Achse von „wenig strukturiert“ bis „stark strukturiert“ einordnen. Für das Erstellen der Struktur empfinde ich erstere als hilfreicher, für das Arbeiten mit der Struktur in der Umsetzung sind letztere oft besser geeignet ist. Unter Umständen musst du dich darauf einstellen, einen Bruch in deiner Arbeitsweise zu haben.

So... ich hoffe, diese Gedankenanstöße haben dir geholfen, große Themen zukünftig besser oder schneller zu strukturieren. Strukturierung ist sowohl „art“ als auch „science“ und du wirst jedes Mal ein wenig besser. Habe ich etwas vergessen? Dann sag bitte Bescheid, wir können alle voneinander lernen. Brauchst du Unterstützung bei der Umsetzung? Dann melde dich bei mir, ich helfe gerne. In jedem Fall denk immer daran: Das Leben ist zu kurz, um in beschissenen Projekten zu arbeiten!

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