Schau hin! 6 wiederkehrende Fehler bei der Teamzusammenstellung

leadership team Feb 28, 2022
 

Ich bin ja ein halber Bauingenieur. Zum Abschluss meiner Studienvertiefung im Bauingenieurwesen habe ich mich mit Staudämmen beschäftigt. Du hast bestimmt schon einmal eine Staumauer aus Beton gesehen – wahnsinnig hoch, leicht gebogen und eigentlich recht filigran. Für den Bau brauchst du wahnsinnig viel Material. Vor allem Beton und damit einhergehend die Maschinerie zur Produktion von Beton, zum Einbringen und Härten. Du brauchst aber nicht viele Menschen.

Wenn wir auf die Entwicklung digitaler Produkte schauen, ist es genau andersrum. Du brauchst fast keine Ressourcen, ein paar Computer reichen. Aber du brauchst - natürlich relativ gesehen – viele Menschen. Die Relevanz der Menschen, des Teams ist hier ungleich höher als bei der Errichtung von Staudämmen. Daher ärgert es mich immer wieder, dass bei der Zusammenstellung von Softwareentwicklungsteams immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden. Ich möchte dich hier auf 6 Klassiker aufmerksam machen, so dass du sie erkennen und vermeiden kannst.

Die Teamzusammenstellung erfolgt außerhalb des Teams. Vermutlich kennst du das auch. Das Team ist für das Produkt verantwortlich, es soll hervorragende Qualität abliefern, neue Ideen generieren, vielleicht gibt es auch einen Zeitplan. Die Verantwortung hierfür liegt im Team. Aber bei der Auswahl des wichtigsten “Produktionsmittels”, nämlich der Teammitglieder, ist das Team nicht beteiligt. Die Teammitglieder werden aus Linienfunktionen abgeordnet, in der Regel ohne Rücksprache mit den einzelnen Teammitgliedern oder dem bereits vorhandenen Team. Allein wenn ich an diese Praxis denke, muss ich schon mit dem Kopf schütteln. Was macht jeder neue Leiter, egal ob CEO oder Abteilungsleiter? Er stellt sich zuerst sein Team zusammen. Aus gutem Grund. Und aus dem gleichen Grund sollte auch das Softwareentwicklungsteam die Auswahl der Teammitglieder übernehmen oder zumindest beteiligt sein.

Erfahrung wird durch Quantität ersetzt. Eigentlich brauchst du ein Team mit unterschiedlichen Sichtweisen und unterschiedlichen Jahren der Erfahrung. Stattdessen wird ein Team mit lauter Rookies zusammengestellt und die fehlende Erfahrung soll mit 1-2 weiteren junioren Mitarbeitern wettgemacht werden. Das funktioniert nicht. Vielleicht kennst du das Konzept der Johari-Fenster? Es gibt den “Blinden Fleck”, d.h. es gibt Dinge, die dir nicht bekannt sind, anderen allerdings schon. Wenn dein Team ausschließlich aus Rookies besteht, wissen deine Kollegen noch nicht einmal, was sie nicht wissen – und können daher auch niemanden um Unterstützung bitten. Wenn du nicht weißt, dass du ein Problem hast, suchst du auch nicht nach einer Lösung.

Fokus wird durch Quantität ersetzt. Die berühmten 20 – Prozent – Mitarbeiter. Eigentlich ist Frau Meier in der Linie unabkömmlich. Aber sie muss auch im Projekt mitarbeiten. Dann arbeitet sie halt zu 20% mit. Ich weiß, ich übertreibe jetzt: Eigentlich brauchst du ein Team mit 5 Mitarbeitern. Tatsächlich hast du ein Team mit 25 20% Mitarbeitern. Blöd nur, dass Menschen und Teams keine Maschinen sind und simple Mathematik aus drei Gründen nicht funktioniert.

  • Erstens explodiert die Zahl der Kommunikationsbeziehungnen. K=n*(n-1)/2, d.h. bei 5 Menschen liegt die Anzahl der Kommunikationsbeziehungen bei 10, bei 25 Menschen bei 300. Mach dir selber ein Bild, ob das funktionieren wird.
  • Zweitens gibt es immer einen gewisse Rüst- und Koordinationsaufwand. Mit Rüstaufwand meine ich die Zeit, die wir brauchen, um uns gedanklich auf eine neue Aufgabe vorzubereiten. Koordinationsaufwand ist die Synchronisation mit den Kollegen. Beides sehe ich nicht als prozentualen Wert, sondern als absoluten Aufwand, erfahrungsgemäß 2-4h pro Woche. Bei einer Verfügbarkeit von 100% (d.h. 40 Stunden pro Woche) fällt das kaum ins Gewicht, bei einer Verfügbarkeit von 20% (d.h. 8 Stunden pro Woche) sehr wohl.
  • Der dritte Grund ist die niedrige Priorität der Projektarbeit. 20% sagt ja schon, dass der Rest der Arbeit wichtiger ist. Heißt aber auch, dass bei Krisen und Problemen im “Rest der Arbeit” zu allererst die Projektarbeit reduziert wird.

Motivation spielt keine Rolle. Die simple Frage “Hast du Bock auf das Thema” wird nicht gestellt. Ein riesiger Fehler. Eine Studie hat gezeigt, dass “inspirierte” Mitarbeiter um 225% produktiver sind als “normale” Mitarbeiter. 225%! Lass dir das auf der Zunge zergehen. Du kannst entweder die Hälfte der Kosten sparen, weil dein Team kleiner ist, oder doppelt so schnell Ergebnisse haben. Alles mit einer Frage! Nun, ganz so einfach ist es nicht, aber es gibt einen messbaren Zusammenhang zwischen Motivation und Produktivität.

Faule Äpfel werden nicht aussortiert. Wenn du einen Korb mit 5 Äpfeln hast und einer davon ist faul, dauert es nur kurze Zeit, bis alle faul sind und entsorgt werden müssen. Das gleiche Prinzip lässt sich auch bei Teams beobachten. Wenn das destruktive Verhalten eines einzelnen Kollegen toleriert wird, passen sich über die Zeit alle anderen an. Sei es Verspätung bei Meetings, Ignoranz bei Urlaubsabsprachen, Stunden bei Facebook anstelle des Themas oder oder oder. Es gibt Teammitglieder, die unterstützen das Team nicht, sie stören es. Dann müssen sie das Team verlassen.

Das Team ist zu homogen. Auch wenn es erstmal verlockend klingt, mit lauter gleichgesinnten in einem Boot zu sitzen, so birgt es auch Nachteile. Ja, du bist schnell. Ja, du kannst schnelle Entscheidungen treffen ohne endlose Diskussionen. Aber du findest vermutlich nicht immer die besten Lösungen, weil dein Blickwinkel zu eingeschränkt ist. Heterogenität im Team bringt Diversität in die Lösungsfindung und damit tendenziell bessere Lösungen.

Das sind aus meiner Sicht die klassischen Fehler bei der Teamzusammenstellung. Vermutlich hast du den einen oder anderen auch schon gesehen oder erlebt. Bleibt die Frage, was du als Product Owner daran ändern kannst. Für mich ist die Sache klar. Als Product Owner bist du für den Erfolg des Produktes verantwortlich. Daher solltest du die Führungsverantwortung für die Teamzusammenstellung übernehmen. Sprich mit den Führungskräften in der Linie und sensibilisiere sie für die potenziellen Probleme. Sprich mit den potenziellen Teammitgliedern, bevor sie Teil des Teams werden. Sprich mit deinem Team und sorge für eine Beteiligung des Teams vor der Aufnahme weiterer Teammitglieder. Ja, wir sind nicht bei “Wünsch dir was” und vermutlich musst du Kompromisse eingehen. Aber lehne dich nicht passiv zurück, sondern kämpfe für das beste Team, das du kriegen kannst. Denn das Leben ist zu kurz, um in beschissenen Projekten mit beschissenen Teams zu arbeiten. 

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