Stakeholdermanagement

leadership Jul 31, 2023
 

Früher oder später wirst du mit dem Begriff "Stakeholdermanagement" konfrontiert werden. Sei es als Frage "Hast du schon Stakeholdermanagement gemacht?" oder als Aufforderung "Lass uns doch ein professionelle Stakeholdermanagement aufziehen" - irgendwas kommt immer. Und das aus gutem Grund: Stakeholder spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Maßnahmen, Projekten oder Features. Daher möchte ich an dieser Stelle klären, was Stakeholdermanagement eigentlich ist, warum es wichtig ist und wie du es umsetzen kannst.

Was

Los geht's mit der Frage was.

Stakeholder eines Projektes sind laut Definition nach ISO 10006 alle Personen, die ein Interesse am Projekt haben oder von ihm in irgendeiner Weise betroffen sind. Die DIN 69901-5 nutzt eine im Wesentlichen gleiche Definition, spricht allerdings von Projektbeteiligten.

Stakeholdermanagement sind damit alle Aktivitäten innerhalb eines Projektes, die sich mit der Identifikation von und Kommunikation mit Interessierten und Betroffenen beschäftigen.

Wo es immer wieder Diskussionen gibt, ist die Frage, ob das Projektteam teil der Stakeholder ist. Das Team sollte ja ein Interesse haben und ist auch betroffen. Ich klammere das Projektteam üblicherweise aus. Die Art und Weise, wie ich innerhalb des Projektteams agiere und kommuniziere, ist eine andere als außerhalb des Projektteams. Wenn ich im folgenden also von Stakeholdern spreche, meine ich nie das eigentliche Projektteam.

Warum

Warum sind Stakeholder und das Management dieser Stakeholder eigentlich wichtig? Nun, sie können einen erheblichen Einfluss auf das Projekt bzw. auf die Maßnahme nehmen - und dieser Einfluss kann unheimlich fördernd sein, aber das Projekt auch zum Scheitern führen. Letzteres aber üblicherweise nur, wenn einzelne Stakeholder nicht berücksichtigt werden und es irgendwann anfängt zu "menscheln", d.h. einzelne Stakeholder eingeschnappt sind, sich übergangen fühlen oder ihre Interessen nicht berücksichtigt sehen. Ich kann das mal mit zwei Beispielen erläutern.

Wir haben vor einigen Jahren einen neuen Anzeiger für Bahnhöfe entwickelt. Wir haben mit Reisenden gesprochen, wir haben mit den Mitarbeitern vor Ort gesprochen, wir haben mit der Fachabteilung gesprochen. Nur den CIO haben wir vernachlässigt. Irgendwann haben wir ihm das fertige Konzept vorgestellt - und er hat uns prompt in die Stadionrunde geschickt. Die Aspekte der IT-Security hatten wir aus seiner Sicht nicht ausreichend berücksichtigt. 3-4 Monate Verzögerung. Das hätten wir leicht vermeiden können, wenn wir schon früher mit ihm gesprochen hätten und seine Erwartungen und Pain Points in Erfahrung gebracht hätten.

In einem anderen Projekt hat die IT das zentrale Reservierungssystem neu erstellt. Oder besser gesagt, neu erstellen wollen. Die Aussage an die Fachbereiche war "es ändert sich nichts, daher müsst ihr auch nicht im Projekt involviert sein". Nun ja, natürlich haben sich Dinge geändert. Die Bildschirmmasken sahen anders aus. Funktionalität wurde hinzugefügt - und auch weggelassen. Prozesse wurden verändert. Irgendwann hieß es von der IT "fertig". Und die Fachbereiche zählten genüsslich auf, warum sie mit dem neuen System nicht arbeiten konnten. Es folgten drei Runden der Nachbesserung, aber immer noch keine Einführung. Erst ab dem Moment, ab dem die IT ihre Kollegen in den Fachbereichen wirklich ernst genommen hat, erst ab dem Moment, als die Sorgen, Nöte, Erwartungen berücksichtigt wurden, wendete sich das Blatt und das neue System wurde gemeinsam fertiggestellt.

Mit diesen zwei Beispielen will ich deutlich machen, dass es unheimlich schwierig ist, gegen einflussreiche Stakeholder etwas durchzusetzen. Es ist viel einfacher, mit ihnen zu arbeiten. Aber dafür musst du sie kennen - und genau darum geht es beim Stakeholdermanagement.

Wie

Wie "machst" du nun Stakeholdermanagement? Nun, du kannst dir die einzelnen Aktivitäten am besten als Kreislauf mit 5 Schritten vorstellen.

  1. Identifikation der Stakeholder (Personen, Personengruppen)
  2. Klassifizierung der Stakeholder in den Dimensionen Interesse und Einfluss
  3. Mapping der Beziehungen oder Relationships
  4. Ableitung von Maßnahmen zur Kommunikation und Verbesserung der Beziehung (insbesondere verstehen, vertrauen)
  5. Umsetzung dieser Maßnahmen

Das ganze ist ein bewusst ein Kreis und kein Prozess, weil du in regelmäßigen Abständen die Ergebnisse überprüfen solltest. Sind neue Stakeholder hinzugekommen? Funktionieren unsere Maßnahmen? Usw.

Lass uns nun in die einzelnen Punkte tiefer einsteigen.

Identifikation der Stakeholder (Personen, Personengruppen)

Im ersten Schritt geht es um die Identifikation der Stakeholder. Das können einzelne Personen sein, z.B. der CIO Hr. Müller, oder Personengruppen, z.B. alle Anwender in der Abteilung xyz. Vorweg: Dieser Schritt sollte nicht dramatisiert werden und auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe noch keine Maßnahme erlebt, die gescheitert ist, weil man plötzlich ein unbekannter Stakeholder aus einem Loch hervorgekrochen kam und auf einmal blockiert hätte. Also, wie findest du die relevanten Stakeholder?

  1. Die ersten 3-5 sind dir eh klar. Deine Auftraggeber, deine Anwender, ... irgendwas weißt du. Schreib es auf.
  2. Frag deine Kollegen im Projektteam. Vermutlich haben sie 2-3 weitere Ideen.
  3. Sprich mit den bislang identifizierten Stakeholdern. Frag sie direkt, wer aus ihrer Sicht ebenfalls betroffen ist oder ein Interesse haben könnte.
  4. Schau dir das Organigramm des Unternehmens an. Welche Bereiche links und rechts von euch könnten betroffen sein?
  5. Falls du Informationsveranstaltungen durchführst, achte darauf, an wen die Einladung weitergeleitet wird.

Mit diesen 5 simplen Ideen solltest du 90-95% der Stakeholder erwischen. Der Rest ergibt sich im Zeitverlauf, mach dir keine Sorgen, für den Start reicht das.

Klassifizierung der Stakeholder in den Dimensionen Interesse und Einfluss

Im zweiten Schritt klassifizierst du die Stakeholder. Es hat sich bewährt, die Dimensionen "Interesse am Ergebnis" und "Einfluss auf Projekt und Ergebnis" zu betrachten und dabei nur zwischen niedrig und hoch zu unterscheiden. Es ergibt sich eine wunderbare 2x2 Matrix. Jeden Stakeholder ordnest du nun einem der Quadranten zu.

Es geht nicht um das perfekte Ergebnis, sondern um einen ersten Aufschlag. Macht die Übung gerne im Team, dann habt ihr unterschiedliche Sichtweisen und könnt diskutieren.

Mapping der Beziehungen oder Relationships

Der nächste Schritt ist ein wenig diffizil aber unheimlich hilfreich. Du bewertest die Beziehungen zwischen einzelnen Projektmitgliedern und den Stakeholdern und ggf. auch der Stakeholder untereinander. Ziel dieser Übung ist zu verstehen, "wer mit wem kann". Auch Stakeholder sind nur Menschen. Beschränke dich zunächst auf Stakeholder mit einem hohen Einfluss. Und kategorisiere die Beziehungen vielleicht in die folgenden 4 Kategorien: nicht existent, neutral, positiv, negativ. Das kannst du dann mit Smileys, Farben oder Strichdicke kenntlich machen. Ich habe eine gute Beziehung zu Frank, aber negativ zu Daniel. Ein Kollege hat eine gute Beziehung zu Daniel und eine neutrale Beziehung zu Frank. Keiner hat eine Beziehung zu Thorsten.

Diese Erkenntnis wird dir im nächsten Schritt helfen.

Ableitung von Maßnahmen zur Kommunikation und Verbesserung der Beziehung

Jetzt geht es nämlich um die Ableitung von Maßnahmen. Das ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt des gesamten Stakeholdermanagements. Wissen ist gut, handeln ist besser.

Fangen wir auf einer groben Ebene an, den vier Quadranten. Die Handlungsempfehlung lautet nämlich üblicherweise:

  1. Zufrieden stellen
  2. Umfassend informieren und beteiligen
  3. Mit wenig Aufwand informieren
  4. Beobachten

Was heißt das jetzt konkret? Wenn wir rückwärts gehen: Im Quadrant "beobachten" mache ich aktiv nichts. Wenn mir etwas auffällt, reagiere ich, aber sonst - nix. Im Quadrant "informieren" denke ich an regelmäßige Informationsveranstaltungen, gerne auch virtuell, ich denke an Newsletter, an Seiten im inter- oder intranet. Das ist recht eindeutig eine one-to-many Kommunikation. Wichtig ist hier, dass es passiert. Es muss nicht ausgefeilt sein, kein fancy shit, aber es muss regelmäßig passieren. Dann kommen wir zur oberen Hälfte. Üblicherweise finden sich hier eher Individuen und weniger Gruppen. Und: Diese Individuen können einen erheblichen Einfluss ausüben. Insofern lohnt es sich hier, diese Menschen individuell zu bespielen. Das können regelmäßige Jour Fixe sein, das kann das regelmäßige Mittagessen sein, dass kann eine separate Infoveranstaltung auf Wunsch einer einzelnen Person sein. Das Ziel sollte sein, die Präferenzen, Wünsche und Ziele dieser Stakeholder zu kennen und ein Vertrauensverhältnis zu entwickeln. Daher auch die vorherige Übung des Relationship-Mappings: Ihr könnt euch die Arbeit so aufteilen, dass die Person innerhalb des Projektes einen Stakeholder bespielt, die ein gutes Verhältnis hat. Und ihr seht sofort, wo es ggf. noch gar keine Beziehung gibt und ihr dringend eine aufbauen müsst.

Umsetzung dieser Maßnahmen

Der letzte Schritt ist einfach und schwierig zugleich. Einfach, weil die Maßnahmen in der Regel keine Raketenwissenschaft sind - ihr müsst es halt einfach tun. Schwierig, weil es ein gehöriges Maß an Disziplin braucht, die Maßnahmen nicht nur umzusetzen, wenn gerade Zeit ist, sondern tatsächlich regelmäßig.

Überprüfung der Schritte

Ich hatte anfangs ja bereits gesagt, dass dies ein Kreislauf ist... in regelmäßigen Abständen solltest du überprüfen, ob sich etwas verändert hat und ob deine Maßnahmen tatsächlich wirken. Aber was sind regelmäßige Abstände? Als Richtwert könnte hier alle 3-6 Monate gelten und immer beim Wechsel der Phase. Denn die Stakeholder ändern sich gerne in den Phasen:

  • Problem -> eher Anwender, Fachbereiche
  • Lösung -> eher CIO, IT Architektur, Security
  • Umsetzung -> beide, ggf. Betriebsrat

Beachtenswert

Was ist noch zu beachten? Stakeholdermanagement ist niemals eine One-Off Veranstaltung. Du musst dran bleiben, du musst die Disziplin aufbringen, gerade in der Umsetzung der Maßnahmen. Die meisten betreiben nur die Stakeholderidentifikation, aber nicht die kontinuierliche Umsetzung der Maßnahmen. Wenn du die Disziplin aufbringst, kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

In diesem Sinne: viel Erfolg bei der Umsetzung!

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